In der Schwangerschaft hatte ich mir fest vorgenommen zu stillen. Überall wurde es schließlich als das „Nonplusultra“ dargestellt: Allergien sollten vermieden, die Bindung zur Mutter gestärkt werden und so weiter. Ich fing also bereits in der Schwangerschaft an mich einzulesen.
Als dann die Geburt nicht so verlief wie geplant und in einem sekundären Kaiserschnitt endete, hatte ich große Sorge, dass das mit dem Stillen wohl nur ein Wunschtraum bleiben würde.
Um die Milchbildung anzuregen, habe ich mein Baby gleich nach der Geburt die Brust suchen lassen. Und tatsächlich war mein Kind ein wahres Naturtalent. Trotzdem dauerte es noch bis zum sechsten Tag bis die Milch einschoss.
Bis dahin hatte der Kleine schon sehr viel abgenommen und war viel am Weinen. Dauernd kamen Schwestern zu mir und redeten auf mich ein, dass ich doch zufüttern müsse. Mein Glück war allerdings, dass mein Kind mit 4,5 Kilo Geburtsgewicht ein echter Brummer war. Eine andere Hebamme meinte auch beruhigend, dass gerade große Babys viel Wasser eingelagert hätten und daher der Gewichtsverlust auch stärker ausfiele als bei zarten Babys.
Als der Milcheinschuss dann endlich da war, hoffte ich die Startschwierigkeiten würden sich legen, doch meine ohnehin eher kleinen und flachen Brustwarzen waren durch den Milcheinschuss so prall, dass mein Sohn unmöglich andocken konnte. Da ich in einem stillfreundlichen Krankenhaus entbunden hatte, waren zum Glück jede Menge Stillberaterinnen vor Ort, aber jede hatte einen anderen Lösungsansatz parat: Zuerst hieß es, ich solle es mit Abpumpen versuchen, die andere wollte mir Stillhütchen aufdrängen, eine weitere Stillberaterin hatte dann den rettenden Tipp: Sie zeigte mir einen speziellen Fingergriff, wie ich im Uhrzeigersinn die Brustwarzen massieren müsse, damit die Milch wieder in die Brust hineingedrückt wurde.
Wenn man beispielsweise die rechte Brust massieren möchte nimmt man den Mittel- und Zeigefinger der linken Hand und drückt im Uhrzeigersinn den Brustwarzenvorhof, damit die Brustwarze eine bessere Form annimmt und das Baby leichter andocken kann.
So ersparte ich mir Stillhütchen & Co, und mein Kind konnte die Brustwarze besser in den Mund nehmen und stillte selig.
Doch nach wenigen Tagen kam dann die nächste Hürde: Mein Kind, der kleine Brust-Junkie, trank so ausdauernd und oft, dass meine Brustwarzen total wund wurden. Jedes Anlegen fühlte sich wie tausend Messerstiche an. Hier halfen mir gekühlte Kompressen von Multi-mam und später auch Lansinoh-Wollfettsalbe. Es kostete allerdings jede Menge Überwindung, die nächsten Wochen trotz Schmerzen durchzuziehen, doch ab dem dritten Monat waren wir zwei ein eingespieltes Team und die Brustwarzen verheilt.
Zeit also für ein neues Problem: Mein Sohn trank gefühlt den lieben langen Tag an der Brust, wirkte aber nie richtig satt, sondern immer hungrig. Auch wenn ich gelesen hatte, dass vermehrtes Anlegen die Milchbildung steigern würde, und man eigentlich so immer die perfekte Menge für das Kind haben sollte, hatte ich bei ihm nicht diesen Eindruck. In Absprache mit meiner Hebamme habe ich daher mit hochdosierten Bockshornkleekapseln und Malzbier (bei letzterem kann es auch reine esoterische Einbildung gewesen sein, aber es schmeckte mir und sorgte zumindest für neue Energie) die Milchmenge gesteigert.
Ab diesem Zeitpunkt hatten wir dann eine intensive und schöne Stillbeziehung, ich fand das Stillen unglaublich praktisch und habe es sehr genossen. Außerdem wollte mein Kind keinerlei Brei zu sich nehmen, so dass ich ihn quasi das erste Jahr ausschließlich gestillt habe, und er dann ab dem ersten Geburtstag einfach mit uns am Tisch normales Essen mitgegessen hat. Im Laufe des zweiten Lebensjahres habe ich dann tagsüber die Milchmenge mehr und mehr reduziert und nur noch nachts und zum Einschlafen gestillt.
Dass das finale Abstillen dann so ein Kampf werden sollte, hatte ich allerdings nicht bedacht. Mein Ziel war es eigentlich immer, nicht länger als zwei Jahre zu stillen, aber wenn es nach meinen Sohn gegangen wäre, würde er auch heute mit 3,5 Jahren noch fröhlich an der Milchbar hängen. Stillen war für ihn ein wahnsinnig beruhigendes Momentum, sein Trost, sein sicherer Hafen. Ich habe lange überlegt, ob ich ihm das wirklich nehmen sollte, mich aber dann doch dafür entschieden, dass der zweite Geburtstag ein guter Zeitpunkt wäre, um abzustillen.
So schön ich das Stillen auch fand, für mich persönlich war einfach eine Grenze erreicht, und ich wollte mein Kleinkind nicht Ewigkeiten weiter stillen. Das Abstillen war für uns beide ein Einschnitt und ein trauriger Abschied und es gab ein paar Nächte Tränen und Protest, aber dann hat er es akzeptiert.
Rückblickend betrachtet bin ich in gewisser Weise stolz auf mich, trotz Anlaufschwierigkeiten das Stillen durchgezogen zu haben. Ich denke aber inzwischen auch, dass ich oftmals zu verbissen an die Sache herangegangen bin , und es meinem Kind sicherlich nicht geschadet hätte, wenn es ab und zu auch Pre bekommen hätte. Heute würde ich mich nicht mehr so sehr aufopfern, nur damit mein Kind (ausschließlich) Muttermilch bekommt.